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2014 – Volker Barth

Anna Risi (Nanna)
Exclusiv-Modell bei Anselm Feuerbach und Karl Lagerfeld

17.05.2014

Beitrag von Volker Barth (www.vize.life)

 

Dieses ist ein künstlerisch-modischer Hinweis auf die aktuelle Doppel-Ausstellung „Feuerbachs Musen – Lagerfelds Modells“ in der Hamburger Kunsthalle, die noch bis zum 15. Juni 2014 läuft.

 

Kreative, Künstler ob Maler, Bildhauer, Literaten, Komponisten oder Designer, ja sogar Modeschöpfer benötigen „Musen“ als ihre „göttlichen“ Inspirationsquellen. Dazu zitiert der griechische Dichter Hesiod „Glücklich ist derjenige, den die Musen lieben“. In der Antike stellte man sich vor, dass Ideen (Gedanken) sich nicht selbst entwickeln, sondern von außen (von den Musen) eingegeben werden. Also „Musen“ sind neun Quellnymphen-Schwestern, die als Vater Zeus und als Mutter Mnemosyne haben, und sich um den Gott der schönen Künste Apoll auf dem Berg Helikon scharen.

Antike – ist ein wertvolles Stichwort

Der Maler und „Deutschrömer“ Anselm Feuerbach beschäftigte sich Zeit seines Lebens mit antiken Autoren und ihren literarischen Stoffen. Hauptthema seiner Malerei wurde die Sehnsucht nach Idealität, die er in einer verklärten Antike sah. Dieses Stilprinzip und auch das der Renaissance, gepaart mit einem reinklassischen Naturstudium, verkörperten Pathos und malerische Perfektion, spannungsreich. Höhepunkte sind die vielen „Rollen“-Porträts seiner Muse Nanna und die passenden Aussprüche „Wenn die Kunst das Leben nur kopiert, dann brauchen wir sie nicht“ oder „In Deutschland wäre ich als Künstler verkommen“.

Der weltberühmte deutsche Modeschöpfer Karl Lagerfeld (Jahrgang 1933), Designer, Kostümbildner, aber auch Fotograf, ist seit über fünfzig Jahren enorm erfolgreich, liebt die Antike, die Klassik und die Kunst. Und als künstlerischer Direktor von Fendi (seit 1965) und Chanel (seit 1981) wurde er zu einem der wichtigen Macher der internationalen Mode. Über sich sagt er "Ich habe das Glück, im Leben das machen zu können, was mich am meisten interessiert: Photographie, Mode und Bücher.“

Extra für seine jetzige Hamburger Ausstellung kreierte er den Bilderzyklus „Moderne Mythologie“ mit sechzig Schwarzweiß-Fotos. Die antike Liebesgeschichte von Daphnis und Chloe wählte er als Thema und ließ sie von seinen Lieblingsmodellen Baptiste Giabiconi und Bianca Balti darstellen in südfranzösischer Landschaft.

Stiefmutter managt fast alles

Und jetzt noch Biografisches zum Maler Anselm Feuerbach (1829-1880): Seine Mutter starb schon ein Jahr nach seiner Geburt, aber durch Neuheirat seines Vaters bekam er 1834 die Stiefmutter (Henriette Heydenreich bzw. Feuerbach), die sogar später seine „Exclusiv“-Managerin wurde. Der junge Anselm Feuerbach studierte Malerei in Düsseldorf, München, Antwerpen und Paris, kehrte dann 1854 nach Heidelberg zurück, wo seine inzwischen verwitwete Stiefmutter und seine Schwester Emilie lebten. Ab April 1855 erfolgte dann ein längerer Studienaufenthalt in Venedig (Erkrankung an Syphilis) und anschließend eine Reise nach Florenz und Rom, wo er seinen Freund und Biografen Julius Allgeyer (auch Kupferstecher, Fotograf und Schriftsteller) kennenlernte.

Anselm Feuerbach orientierte sich an einem historisch-monumentalem Stil, der aber von seinen Zeitgenossen heftig kritisiert wurde. In Rom dann 1857 bis 1868 fand er in Adolf Friedrich von Schack einen großzügigen und kompetenten Gönner, der viele seiner Gemälde kaufte. (Mein Tipp: Sammlung Schack, Prinzregentenstrasse 9, 80538 München).

Bildnisse ganz im Sinne der Antike

In den Jahren 1861 bis 1865 entstanden dann die berühmten Nanna-Bildnisse. Anselm Feuerbach äußerte sich „Was Frauen anbelangt, so brauche ich keine Hausfrau, aber eine Muse, die meinen Schönheitssinn belebt und mein Herz edelt“ und „Das Modell ist sehr schön und dürfte später einmal Iphigenie werden …“. Im August 1873 wurde er Professor an der Akademie der Bildenden Künste in Wien, deshalb pendelte er zwischen Wien und Rom – kündigte aber in Wien im Juni 1876. Weil seine inzwischen verwitwete Stiefmutter nach Nürnberg übergesiedelte, reiste er nun zwischen Nürnberg und Venedig. Er spielte sogar kurzfristig mit dem Gedanken „Porträtmaler in London“ zu werden, aber: am 4. Januar 1880 verstarb er in Venedig. (Sein Grab befindet sich aber auf dem Nürnberger St. Johannisfriedhof).

Nun zum Ausgangspunkt

Im Frühjahr des Jahres 1860 in Rom lernte der deutsche Maler Anselm Feuerbach eine junge Frau kennen. Sie war Modell und arbeitete nicht nur für ihn sondern auch mit anderen Malern, so z.B.: mit dem berühmten englischen Maler Lord Frederic Leighton, einem Verteter des viktorianischen Neoklassizismuses.

Feuerbachs Biograph Julius Allgeyer schilderte die Kennenlern-Szene so „Wir gingen eines Tages durch die Via Tritone, die Straße, die von Piazza Barberini nach seinem (Feuerbachs) Atelier hinunterführte, als wir eine Frau erblickten, die mit einem Kinde auf den Armen unter einem offenen Fenster stand, dessen Rahmen den natürlichen Abschluß um den reizvollsten Vorwurf bildete, den der Zufall einem Künstler für eine Madonna größten Stils liefern konnte. (Zwei bekannte Versionen „Maria mit dem Kinde zwischen musizierenden Engeln“existieren, eine in Dresden (1860) und die andere in München (1863)). Die Frau, eine Erscheinung von geradezu imposanierender Hoheit, mochte Mitte der zwanzig sein. Eine Last von dunklen Haaren umrahmte die strengen, von einem melancholischen Ausdruck gemilderten Züge, deren Schnitt von der reinsten, römischen Abstammung zeugte“.

Modell, Muse & Geliebte

„Diese Frau“ war Anna Risi und wurde von Anselm Feuerbach Nanna genannt. Damals zog sie nach Rom und wohnte im Stadtteil Trastevere, war nachweisbar mit einem Köhler und Kunsttischler verheiratet (viele behaupten aber mit einem Schuster), aber unglücklich. Sie war um die zwanzig Jahre alt und hatte einen Sohn namens Pietro.

Sie trennte sich im Jahre 1861 von ihrem Mann und fand Unterkunft und Unterstützung bei Anselm Feuerbach, wo sie zur Muse, Geliebten und Lebensgefährtin wurde. Der Künstler führte durch Briefe dokumentiert ein aufwendiges Leben, sah sehr gut aus, war eine Art Dandy, trug teure stilvolle Textilien, war eitel, elegant und liebeswürdig, aber auch eifersüchtig. Er ritt gerne und beschenkte laut Stiefmutter Henriette „Nanna“ großzügig. Fünf intensiv-gelebte Jahre blieben die beiden zusammen und so entstanden über fünfzig unterschiedlichste Porträts, eine sehr stattliche Zahl!

Aber dann 1865 verließ sie Anselm Feuerbach mit einem „reichen Engländer (oder Amerikaner?)“ nach Süditalien. Anfang Januar 1868 kehrte sie „in katzenjämmerlichem Zustand“ laut Anselm Feuerbach wieder zurück nach Rom. Eine Versöhnung mit ihm fand jedoch nicht statt – es dürfte aber auch Feuerbachs Erkrankung (seit Venedig 1855 Syphilis) eine „gewisse“ Rolle gespielt haben.

Und jetzt zum Pracht-Gemälde Iphigenie (I. Fassung von 1862)

Über längere Zeit hinweg hatte sich Anselm Feuerbach „Bildgedanken“ zu Wolfgang von Goethes Dichtung „Iphigenie auf Tauris“ und der gleichnamigen Oper von Christoph Willibald Gluck gemacht. Ab 1861 begann er mit seinen malerischen Ausführungen, da er „das“ Modell Anna Risi gefunden hatte. In einem Brief (2. Mai 1861) schrieb er seiner Stiefmutter „Die nächsten drei Monate widme ich ganz meinem Modell. (Holme) Cardwell (englischer Bildhauer) hat mir ein griechisches Gewand geschneidert, und nun solltest du die hohe Gestalt sich darin bewegen sehen. Solche Dinge lassen sich nicht beschreiben, ich habe geglaubt, eine Statue von Phidias zu sehen, es läßt sich da in Eile nichts erreichen, da heißt es Zeit und Beobachten“.

Bis zum Februar 1862 arbeitete Anselm Feuerbach an der sitzenden, sehnsuchtsvoll auf das Meer schauende Iphigenie. Aber Bildgestaltung und Ausdruck waren schon seit Juni 1861 fest in seinem Kopf, denn in einem abgedruckten Brief im „Vermächtnis“ steht „Nun ist das Iphigenienräthsel gelöst. Der Gefühlszustand, welchen wir Sehnsucht nennen, bedarf körperlicher Ruhe. Er bedingt ein in sich Versenken, ein in sich Gehen- oder Fallenlassen. es war ein Moment der Anschauung und das Bild ward geboren, nicht Eurypideisch, auch nicht Goethisch, sondern einfach Iphigenie am Meeresstrand sitzend und allerdings „das Land der Griechen mit der Seele suchend“. Was sollte sie auch anderes Thun?“ – Das zitierte Buch „Vermächtnis“ ist eine Aufzeichnungs- und Briefesammlung von Anselm Feuerbach, die von seiner Stiefmutter Henriette Feuerbach, geb. Heydenreich, kurz nach seinem Tode in Venedig 1880 im Jahr 1881 herausgegeben wurde.

Und in einem weiteren Brief vom 13. März 1862 heißt es „Was die Iphigenie betrifft, so ist die Verspätung begreiflich, weil ich sie dreimal gemalt habe …“ und am 24. Juni 1862 „Die Iphigenie ist mein letztes historisches Bild, denn auf diese Weise ruiniere ich mich und andere“.

Nicht nur eine Studie

Zum Schluss noch eine nähere Erläuterung zu Anselm Feuerbachs Gemälde „Nanna, mit aufgestütztem rechten Arm, Profil nach rechts von 1862“ (in der SB-Bildergalerie): Dieses Halbfigurenbildnis der Nanna ist eine Studie zur ersten Iphigenien-Fassung. Nach Julius Allgeyer hat Anselm Feuerbach das Bild 1876 seinem Hausarzt (gleichfalls Freund und Hausarzt seiner Stiefmutter), Medizinalrat Franz Wolf in Heidelberg, geschenkt. Aus dem Nachlaß dieser Familie Wolf wurde das Bild von Adolf Hitler angefordert und für den „Berghof“ angekauft.