Scarica PDF

2011 – Goethe Wienkelmann Feuerbach

Dal sito tedesco 
http://www.llb-detmold.de/wir-ueber-uns/aus-unserer-arbeit/ausstellungen/ausstellung-2011-2.html

riporto le seguenti notizie su:

Goethe – Iphigenie – Antike Begleitausstellung zur Iphigenie-Inszenierung und zum Antikenprojekt
im Landestheater Detmold
ab dem 28.8.2011

Queste informazioni completano quanto ha scritto il Prof. Jurgen Ecker nel Catalogo "Anselm Feuerbach e l’Italia", pubblicato nel 2000 a Livorno:
https://www.brunacci.it/2000—j-rgen-ecker.html

Goethes farblose Antike

Johann Joachim Winckelmann (1717-1768)

Porträt von Anton Raphael Mengs, kurz nach 1755.
Bildquelle: Metropolitan Museum of Art, New York City
www.metmuseum.org/toah/works-of-art/48.141 (Public Domain)

Allgemeine deutsche Real-Encyclopaedie für die gebildeten Stände (= Brockhaus) 1827, Bd. 12:

„Dieser um Kritik und Geschichte der Kunst, sowie um das Studium der Antike unsterblich verdiente Gelehrte […] war der Sohn eines Schumachers. Auch die äußerste Dürftigkeit konnte seine früh erwachte Neigung zum Studiren nicht unterdrücken. […]
W.s Geist ist in s. Schriften ausgeprägt […]. Ihr unvergängliches Verdienst besteht darin, daß sie zuerst die Grundsätze der Kunst aufstellen und die Werke derselben nach ihrem wahren, durch jene Grundsätze bedingten Wesen und ihrem Zusammenhange unter einander darstellen.“

Johann Wolfgang von Goethe: Winckelmann. Erstdruck 1805:

„Findet sich hingegen in besonders begabten Menschen jenes gemeinsame Bedürfnis, eifrig zu allem, was die Natur in sie gelegt hat, auch in der äußeren Welt die antwortenden Gegenbilder zu suchen und dadurch das Innere völlig zum Ganzen und Gewissen zu steigern, so kann man versichert sein, daß auch so ein für Welt und Nachwelt höchst erfreuliches Dasein sich ausbilden werde.
Unser Winckelmann war von dieser Art. In ihn hatte die Natur gelegt, was den Mann macht und ziert. Dagegen verwendete er sein ganzes Leben, ein ihm Gemäßes, Treffliches und Würdiges im Menschen und in der Kunst, die sich vorzüglich mit dem Menschen beschäftigt, aufzusuchen.“

Winckelmanns Antike: Edle Einfalt, stille Größe

Perrier, Francisco: Segmenta nobilium signorum et statuarum, quae temporis dentem invidium evasere Urbis aeternae ruinis erepta … Rom 1638-1653. Blatt 1.
Signatur: SW 311a.2

Johann Joachim Winckelmann: Gedanken über die Nachahmung der griechischen Werke in der Malerei und Bildhauerkunst, Dresden,  1755:

„Der gute Geschmack, welcher sich mehr und mehr durch die Welt ausbreitet, hat sich angefangen zuerst unter dem griechischen Himmel zu bilden.“
„Der einzige Weg für uns, groß, ja, wenn es möglich ist, unnachahmlich zu werden, ist die Nachahmung der Alten, und was jemand vom Homer gesagt, daß derjenige ihn bewundern lernt, der ihn wohl verstehen gelernt, gilt auch von den Kunstwerken der Alten, sonderlich der Griechen.“
„Die Kenner und Nachahmer der griechischen Werke finden in ihren Meisterstücken nicht allein die schönste Natur, sondern noch mehr als Natur, das ist, gewisse idealische Schönheiten derselben, die, wie uns ein alter Ausleger des Plato lehrt, von Bildern, bloß im Verstande entworfen, gemacht sind.“
„Das allgemeine vorzügliche Kennzeichen der griechischen Meisterstücke ist endlich eine edle Einfalt und eine stille Größe, sowohl in der Stellung als im Ausdruck. So wie die Tiefe des Meeres allezeit ruhig bleibt, die Oberfläche mag noch so wüten, ebenso zeigt der Ausdruck in den Figuren der Griechen bei allen Leidenschaften eine große und gesetzte Seele. Diese Seele schildert sich in dem Gesichte des Laokoon, und nicht in dem Gesichte allein, bei dem heftigsten Leiden.“

Das Bild der Antike

Vgl. dazu die ausführliche Dokumentation von Jutta Assel und Georg Jäger, Die Statuen im Belvedere und die Beschreibungen Winckelmannshttp://www.goethezeitportal.de/index.php?id=3580

Foto von Marie-Lan Nguyen, veröffentlicht unter CC-BY. Quelle: commons.wikimedia.org/wiki/File:Belvedere_Apollo_Pio-Clementino_Inv1015.jpg

 

Johann Joachim Winckelmann: Beschreibung des Apollo im Belvedere, Erstdruck 1759:

„Die Statue des Apollo ist das höchste Ideal der Kunst unter allen Werken des Altertums, welche der Zerstörung entgangen sind. Der Künstler derselben hat dieses Werk gänzlich auf das Ideal gebaut, und er hat nur eben so viel von der Materie dazu genommen, als nötig war, seine Absicht auszuführen und sichtbar zu machen. Dieser Apollo übertrifft alle andere Bilder desselben so weit als der Apollo des Homerus den, welchen die folgenden Dichter malen. Über die Menschheit erhaben ist sein Gewächs, und sein Stand zeugt von der ihn erfüllenden Größe.“

Goethe, Italienische Reise, 9.11.1786

„Manchmal stehe ich wie einen Augenblick still und überschaue die höchsten Gipfel des schon Gewonnenen. […] In St. Peter habe ich begreifen lernen, wie die Kunst sowohl als die Natur alle Maßvergleichung aufheben kann. Und so hat mich Apoll von Belvedere aus der Wirklichkeit hinausgerückt. Denn wie von jenen Gebäuden die richtigsten Zeichnungen keinen Begriff geben, so ist es hier mit dem Original von Marmor gegen die Gipsabgüsse, deren ich doch sehr schöne früher gekannt habe.“

Foto von F. Bucher. Veröffentlicht unter CC-BY-SA.
Bildquelle: commons.wikimedia.org/wiki/File:Torso_Belvedere_01.jpg

 

Johann Joachim Winckelmann: Beschreibung des Torso im Belvedere zu Rom, Erstdruck 1764:

„Ich führe dich jetzt zu dem so viel gerühmten und niemals genug gepriesenen Sturze eines Herkules, zu einem Werke, welches das vollkommenste in seiner Art und unter die höchsten Hervorbringungen der Kunst zu zählen ist, von denen, welche bis auf unsere Zeiten gekommen sind. Wie aber werde ich dir denselben beschreiben, da er der schönsten und der bedeutendsten Teile der Natur beraubt ist! So wie von einer prächtigen Eiche, welche umgehauen und von Zweigen und Ästen entblößt worden, nur der Stamm allein übriggeblieben ist, ebenso gemißhandelt und verstümmelt sitzt das Bild des Helden; Kopf, Arme und Beine und das Oberste der Brust fehlen.
Der erste Anblick wird dir vielleicht nichts als einen verunstalteten Stein entdecken; vermagst du aber in die Geheimnisse der Kunst einzudringen, so wirst du ein Wunder derselben erblicken, wenn du dieses Werk mit einem ruhigen Auge betrachtest.“

Goethe: Italienische Reise, Zweiter römischer Aufenthalt:

„Schön nimmt sich auch der vortreffliche Sturz eines sitzenden Bacchus aus, ebenso das obere Teil einer Bacchusstatue mit schönem Kopf und die Halbfigur eines Triton, vor allen aber das Wunder der Kunst, der nie genug zu preisende berühmte Torso.“

Goethe als Antiken-Sammler: Beispiel Juno Ludovisi

Bilder und Texte nach: Jutta Assel, Georg Jäger: Goethes Juno. Eine Dokumentation. Goethezeitportal http://www.goethezeitportal.de/index.php?id=4179

Bildquelle: Goethezeitportal

Goethe in seiner römischen Wohnung, Federzeichnung von J. H. W. Tischbein, 1787. Rechts außen die „Juno Ludovisi“.

Das Bild zeigt das „Juno-Zimmer“ im Goethehaus am Frauenplan. Bildquelle: Goethezeitportal.

 

Italienische Reise. Bericht April 1788:

„Wenn man, wie in Rom der Fall ist, sich immerfort in Gegenwart plastischer Kunstwerke der Alten befindet, so fühlt man sich wie in Gegenwart der Natur vor einem Unendlichen, Unerforschlichen. … Kann man dergleichen Umgebung in Rom tagtäglich genießen, so wird man zugleich habsüchtig darnach; man verlangt, solche Gebilde neben sich aufzustellen, und gute Gipsabgüsse als die eigentlichsten Faksimiles geben hiezu die beste Gelegenheit. Wenn man des Morgens die Augen aufschlägt, fühlt man sich von dem Vortrefflichsten gerührt; alles unser Denken und Sinnen ist von solchen Gestalten begleitet, und es wird dadurch unmöglich, in Barbarei zurückzufallen.
Den ersten Platz bei uns behauptete Juno Ludovisi, um desto höher geschätzt und verehrt, als man das Original nur selten, nur zufällig zu sehen bekam und man es für ein Glück achten musste, sie immerwährend vor Augen zu haben; denn keiner unsrer Zeitgenossen, der zum erstenmal vor sie hintritt, darf behaupten, diesem Anblick gewachsen zu sein.“

Goethe an Johann Gottfried Herder. Rom, 13. Januar 1787:

„In meiner Stube hab ich schon die schönste Jupiter Büste, eine kolossale Juno über allen Ausdruck groß und herrlich, eine andre kleiner und geringer, das Haupt des Apoll von Belvedere und in Tischbeins Studio steht auch manches dessen Wert mir aufgeht. Nun rücke ich zu den Gemmen, und alle Wege bahnen sich vor mir, weil ich in der Demut wandle.“

Goethe an Charlotte von Stein. Rom, 6. Januar 1787:

„Seit gestern hab ich einen kolossalen Junokopf in dem Zimmer oder vielmehr nur den Vorderteil, die Maske davon. Es war dieser meine erste Liebschaft in Rom und nun besitz ich diesen Wunsch. Stünd ich nur schon mit dir davor. Ich werde ihn gewiss nach Deutschland schaffen und wie wollen wir uns einer solchen Gegenwart erfreuen.
Keine Worte geben eine Ahndung davon, er ist wie ein Gesang Homers.“

Edle Blässe: Farblose Antike

 Johann Joachim Winckelmann, Geschichte der Kunst des Alterthums, Bd. 2, §19. Erstdruck 1764:

„Die Farbe aber sollte wenig Antheil an der Betrachtung der Schönheit haben, weil nicht sie sondern die Bildung das Wesen derselben ausmachet, und über dieses werden sich Sinne, die erleuchtet sind, ohne Widerspruch leicht vereinigen. Da nun die weiße Farbe diejenige ist, welche die mehresten Lichtstrahlen zurückschicket, folglich sich empfindlicher macht, so wird auch ein schöner Körper desto schöner seyn, je weißer er ist, ja er wird nackend dadurch größer, als er in der That ist, erscheinen, so wie wir sehen, daß alle neu in Gips geformte Figuren größer, als die Statuen, von welchen jene genommen sind, sich vorstellen.“

Dass dies nicht stimmt, war schon im 19. Jahrhundert bekannt. 2003/2004 zeigte die Ausstellung Bunte Götter. Die Farbigkeit antiker Skultpur erstmals den modernen Forschungsstand und Rekonstruktionsversuche zur antiken Polychromie. Andreas Prater erläutert in seinem Beitrag im Katalog: 

„Winckelmann und seine Zeitgenossen kannten griechische Kunst fast nur aus römischen Kopien. Ihr Bild des Griechischen war der Reflex von Reflexen. Diese Brechung fand in der sublimen Weiße von Marmor oder Gips ihr ästhetisches Äquivalent. […] Seit Newton wusste man, dass das Licht der Sonne, welches vom Mond […] reflektiert wird, in sich das Spektrum sämtlicher Buntfarben enthält, während es in der Gesamtheit all dieser Farben weiß oder besser, farblos erscheint. Dieser optisch-physikalischen Totalität des Lichtes wird im klassizistischen Ideal des weißen Bildwerks gehuldigt.“

Andreas Prater: Streit um Farbe. Die Wiederentdeckung der Polychromie in der griechischen Architektur und Plastik im 18. und 19. Jahrhundert. In: Bunte Götter. Die Farbigkeit antiker Skulptur. Hg. von Vinzenz Brinkmann und Raimund Wünsche. München 2004. (Signatur: KBT 154(2))

Iphigenie in Weimar

Signatur: SW 250.2

1779

„Nie werde ich den Eindruck vergessen, den Goethe als Orestes im griechischen Costüm in der Darstellung seiner Iphigenie machte, man glaubte einen Appollo zu sehen. Noch nie erblickte man eine solche Vereinigung physischer und geistiger Vollkommenheit als damals an Goethe.
Diese Worte, die Hufeland unter dem frischen Eindrucke des Augenblicks schrieb, sind eines der vielen Zeugnisse, die uns den überwältigenden Eindruck schildern, welchen Goethe bei seinem Auftreten in Weimar auf Alle hervorbrachte […]. Und da steht nun Wolfgang-Apollo, wie ihn Hufeland schildert, nach der Darstellung seiner Iphigenie im Park zu Ettersburg, in dem Costüm, in welchem er den Orestes gegeben, auf der Schwelle der Bühne vor der entzückten applaudirenden Gesellschaft, zwischen Karl August, der den Pylades gespielt hat und jetzt seinen Erwählten triumphirend präsentiert, und der schönen „von den Musen mit jeder Kunst geschmückten“ Corona Schröter, die eben im Begriff ist, ihm den Lorbeer auf die ambrosischen Locken zu drücken.“

Text und Bild: Goethe‘s Frauengestalten. Nach den Originalzeichnungen von Wilhelm von Kaulbach. … Mit erlaeuterndem Texte von Friedrich Spielhagen. München 1873.

1802

 

Brief Goethes an Schiller, Weimar, 19. Januar 1802:

„Hiebei kommt die Abschrift des gräzisierenden Schauspiels [Iphigenie auf Tauris]. Ich bin neugierig, was Sie ihm abgewinnen werden. Ich habe hie und da hineingesehen, es ist ganz verteufelt human. Geht es halbweg, so wollen wir‘s versuchen: denn wir haben doch schon öfters gesehen, daß die Wirkungen eines solchen Wagestücks für uns und das Ganze inkalkulabel sind.“

 

Antwortbriefe Schillers

Weimar, 20. Januar 1802: „Ich werde nunmehr die ‚Iphigenia‘ mit der gehörigen Hinsicht auf ihre neue Bestimmung lesen, und jedes Wort vom Theater herunter, und mit dem Publikum zusammen, hören. Das, was Sie das Humane darin nennen, wird diese Probe besonders gut aushalten, und davon rate ich nichts wegzunehmen.“

22. Januar 1802: „‚Iphigenia‘ hat mich übrigens, da ich sie jetzt wieder las, tief gerührt, wiewohl ich nicht leugnen will, daß etwas Stoffartiges dabei mit unterlaufen mochte. Seele möchte ich es nennen, was den eigentlichen Vorzug davon ausmacht. Die Wirkung auf das Publikum wird das Stück nicht verfehlen, alles Vorhergegangene hat zu diesem Erfolge zusammengewirkt. Bei unsrer Kennerwelt möchte gerade das, was wir gegen dasselbe einzuwenden haben, ihm zum Verdienste gerechnet werden, und das kann man sich gefallen lassen, da man so oft wegen des wahrhaft Lobenswürdigen gescholten wird.“

Sehnsuchtsbilder des 19. Jahrhunderts

Anselm Feuerbach (1829-1880) malt Iphigenie auf Tauris nach Goethe und Gluck

Texte aus: Anselm Feuerbach. Hg. vom Historischen Museum der Pfalz, Speyer, 2002. (Bilder in der Public Domain.)

1862 (Darmstadt, Hessisches Landesmuseum)

1871 (Stuttgart, Staatsgalerie)

1875 (Düsseldorf, museum kunst palast)

 

Zur Iphigenie 1862: „Aber wenn dieser Iphigenie auch das Moderne fehlt, so fehlt ihr doch vielleicht schon das Griechische, gewiss das Iphigenische. Sie hat Ernst und Würde: aber es fehlt Grazie und ein höchster Adel der Erscheinung. In ihrem Antlitz spiegelt sich Empfindung, aber sie entbehrt jener Tiefe und Innerlichkeit, die nötig war, unsere eigene Empfindung tiefer zu berühren.“ (Theodor Fontane)

Zur Iphigenie 1871:
Jürgen Ecker: „Die mächtige, wie Bildhauerei wirkende Gewandfigur in ihrer Einbindung und gefängnishaften Verankerung in dem staubigen Gestein, ohne Möglichkeit des physischen Entrinnens, kontrastiert mit dem sehnsuchtsvoll bildeinwärts gerichteten Haupt. Die Wasserlinie steht dieser Iphigenie sprichwörtlich bis zum Hals.“

Zur Iphigenie 1875:
Jürgen Ecker: „Im „Vermächtnis“ ist das Bild als „Am Meere. Moderne Iphigenie“ […] verzeichnet. […] Feuerbachs Bezeichnung „modern“ bezieht sich vermutlich auf die nicht griechisch nachempfundene Gewandung. Im Vergleich mit den sitzend Dargestellten der ersten beiden Fassungen wird hier den einleitenden Worten Goethes stärker gefolgt: heraustreten und innehalten. Wieder ist es die einsame, nun gealterte Gestalt, die im verlorenen Profil über das Meer schaut, diesmal vielleicht ohne Hoffnung.“